27. Billerhuder Insel Marathon Hamburg

16.07.2017

Vorher

Die schweren Beine vom Allermöher Triple-Marathon von vor 4 Wochen gehörten zum Glück recht bald der Vergangenheit an, sodass ich gedanklich schnell wieder in der Marathon-Planung steckte. Ganze sechs Wochen bis zum 28. Internationalen Bad Pyrmont Marathon erschienen mir aber zu lang, sodass in der Zwischenzeit eine kleinere Veranstaltung her musste. Die Entscheidung fiel nicht besonders schwer, denn mein Fokus richtete sich wieder auf eines von Christian Hottas‘ liebevoll ausgewählten Events im Großraum Hamburg. Bereits im Februar, März und Mai bin ich bei dem Marathon-Sammel-Weltrekordler an den Start gegangen und ein viertes Mal an einem mir bisher unbekannten Ort klang sehr verlockend.
Ausgepickt habe ich mir den bereits zum 27. Mal veranstalteten Billerhuder Insel Marathon an einem Sonntagmorgen mitten im Juni. Bei hoffentlich bestem Sommerwetter sollte es hierbei 18 Mal um die gleichnamige Insel herum gehen, die bis zu 600 Kleingärten bzw. Schrebergärten beherbergt. Für Christian Hottas war dies sein bereits 83. Marathon auf einer Insel, den er selbst veranstaltete. Wahnsinn!

Am letztmöglichen Anmeldetag (09.07.) flatterte meine Meldung in sein Postfach, sodass ich mir für faire 10 € nicht nur eine super Organisation und Verpflegung, sondern auch eine Finisher-Medaille mit Vorjahres-Motiv von der Insel gesichert habe.
Nach einer anstrengenden Trainingswoche inklusive solidem Bahnwettkampf am Mittwochabend (5.000 m in 17:17,32 min) steuerte ich - den geplanten Marathon inbegriffen - abermals auf eine 100-km-Woche zu. Meine nunmehr neunte Woche mit mindestens 100 Kilometern in diesem Jahr. Ab Donnerstag schraubte ich dann aber konsequent zurück, freute mich am Freitag auf den Besuch meiner Freundin Sophie und am Samstag auf einen gemeinsamen Tag in der Hamburger City.
Aus dem geplant entspannten Samstag wurde dann aber ein kleines Abenteuer, da wir mitten im Schlagermove, der wohl größten Feier mit Umzug und Verkleidungen in Norddeutschland, gelandet sind. Auf der gesamten Reeperbahn, in St. Pauli und bis runter zu den Landungsbrücken waren mehr Hippies und Kostümierte der 70er und 80er unterwegs, als normal bekleidete wie wir.

Als wir nach zwei bis drei Stunden genug von diesem Trubel hatten, ging es weiter zur Mönckebergstraße, wo ich bei Esprit drei Hemden und eine Jeans zum Schnäppchenpreis ergatterte. Um 20 Uhr waren die Läden dann zu, sodass wir den Heimweg antraten und uns zu Hause ein großzügiges Abendessen gönnten. Zur aufgewärmten Pizza vom Vortag gab es frischen Salat und eine ordentliche Portion Pasta mit rotem Parmesan-Pesto. Dazu schauten wir den Film „Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind“ und tranken gesunden Kräutertee.

Erst weit nach Mitternacht lagen wir endlich in der Koje und konnten nach diesem aufreibenden Tag auch gut einschlafen.
Um 07:30 Uhr klingelte mich mein Wecker aus dem Bett. Sophie durfte noch eine knappe Stunde weiterschlafen, denn sie konnte ihr Frühstück auch später unterwegs zu sich nehmen. Ich hingegen brauchte mindestens zwei Stunden vorher meine gewohnte Portion von vier Scheiben Toast und einer Tasse Caffè Crema. Erst dann machte ich mich an den Abwasch, bereitete das Frühstück für Sophie vor, zog mir mein Lauf-Outfit an und kontrollierte nochmal die Wetterprognose. Während es heute Nacht noch hieß, es solle pünktlich zum Marathonstart mit 90 %-iger Wahrscheinlichkeit regnen und bis zum Schluss nicht aufhören, so sollte es nach jetzigem Stand ab 11 Uhr aufhören und bei bewölktem Himmel und 17°C nahezu perfekte Laufbedingungen geben.

Um 08:30 Uhr weckte ich meinen Schatz und legte mich für 10 Minuten nochmal zu ihr. Dann aber musste ich endgültig Druck machen, denn um 09:15 Uhr ging es endlich los Richtung Billerhuder Insel. Nach 15 Fahrtminuten mit dem Auto kamen wir an der nördlichen Brücker zu Insel - der sogenannten Braunen Brücke - an und bogen nach dem Überqueren direkt rechts in eine schmale Einbahnstraße ein. Dieser folgten wir gut 300 Meter und entdeckten am linken Wegesrand eine Grasfläche. Schnell kurbelte ich das Fenster runter und fragte einen Gärtner, ob ich hier für drei bis vier Stunden parken dürfte. Er schien nicht sehr angetan zu sein und fragte erst, warum ich das wolle. Ich antwortete und erhielt prompt die Antwort, ich solle noch knapp 100 Meter weiterfahren. Dort befand sind ebenfalls am linken Rand ein etwas größerer Parkplatz, auf dem bereits ein paar Autos von anderen Teilnehmern standen. Perfekt! Ich parkte absichtlich nah am Wegesrand, damit Sophie bei der Kälte auch aus dem Auto zuschauen konnte.

In den verbleibenden 25 Minuten bereite ich mich weiter vor, verschwand nochmal kurz im Gebüsch und wärmte mich ein paar Minuten auf, bevor ich mir anschließend die Füße mit Vaseline eincremte und  die Schuhe fest zuschnürte. Als kleine Besonderheit und zur Feier des Tages - es sollte mein 10. Marathon in diesem Jahr werden - habe ich kleine goldene Flügel an den Schuhen befestigt, die mir Sophie vor geraumer Zeit geliehen (oder geschenkt?) hatte. Außerdem wollte ich mich heute auf der Strecke mit einem besonderen Energiegel belohnen und griff dafür ordentlich in die Tasche. Für 2,20 € gab es von PowerBar ein Flüssiggel mit Mojito-Geschmack. Na wenn das kein Doping der Extraklasse ist?!

Um 09:50 Uhr kam auch Christian Hottas am Start-/Ziel-Parkplatz an und reichte den anderen Teilnehmern die Tische und das Proviant an. Innerhalb kürzester Zeit stand alles an seinem Platz und die bunten Plastikbecher waren den Läufern zugeteilt. Da es kein Wasser gab, holte ich noch schnell unsere mitgebrachte Flasche aus dem Auto und füllte meinen gelben Becher auf. Dahinter packte ich das Gel in den Setzkasten und verursachte dadurch ein paar lustige Sprüche der anderen: “Ach, deshalb bist du so schnell!“.
Daraufhin ergriff der Veranstalter das Wort und erzählte uns ein paar interessante Fakten zu diesem Marathonort. Unter anderem erfuhren wir, dass er diesen Lauf seit ungefähr der fünften Austragung nicht mehr offiziell anzumelden braucht, sondern eine Genehmigung auf Lebenszeit erhalten hat. Außerdem soll es bereits einen Teilnehmer gegeben haben, der hier den Marathon gestartet ist, nach etwa der Hälfte pausiert hat, um in die 8 km entfernte City Nord zu radeln und dort an einem Firmenlauf teilzunehmen, und daraufhin zurückgekehrt ist, um noch rechtzeitig den Marathon zu beenden. Dinge gibt’s, die gibt’s gar nicht.

Mit einer kleinen Verzögerung von 8 Minuten stellten wir uns zum offiziellen Gruppenfoto an die imaginäre Startlinie rechts der Hecke auf. Sophie knipste das entsprechende Foto, auf dem nach eigenen Worten „auch der Chef“ zu sehen sein sollte.
Und nach einem letzten Kuss von meinem Schatz war ich dann soweit. Mein 10. Marathon des Jahres stand mir bevor und es fühlte sich super an. Nur ein mündlicher Countdown fehlte noch: 3 ... 2 ... 1 ... los geht’s!
Mit den ersten Schritten wünschten sich alle viel Spaß und viel Erfolg. Die gesellige Runde war wieder nicht zu übertreffen: Obwohl wir nur zu zehnt waren, war gefühlt jeder Läufertyp, jeder Charakter und fast jede Altersklasse vertreten. Echt cool!

Der Lauf

Im Vorbeilaufen lächelte ich Sophie ein letztes Mal zu und freute mich auf die hoffentlich schöne Strecke rund um die Billerhuder Kleingarten Insel. Diese führt im Uhrzeigersinn über eine schmale, asphaltierte Straße - den Strandweg - und somit entgegen der Richtung, aus der wir mit dem Auto gekommen sind. Der Grund ist, dass wir entgegenkommende Autos eher bemerken und natürlich andersrum. Dadurch sollte ein gefahrloses Vorbeihuschen möglich sein. Zudem galt es, bei dem zweimaligen Überqueren der großen Kopfsteinpflaster-Straße wachsam zu sein, die die Insel einmal quer durchkreuzt. Die Form des Streckenverlaufs erinnert dabei an ein fast gleichschenkliges Dreieck, deren eine Ecke im Norden etwas abgerundet ist. Insgesamt beträgt die Länge einer Runde 2,4167 km, sodass wir nach 18 Runden auf 43,5 km und damit sogar auf einen kurzen Ultramarathon kommen sollten. Da Ultras aber erst ab 45 Kilometern Länge als solche anerkannt werden, sprechen wir hier nach wie vor von einem Marathon.

 

© 2017 Pharus-Plan
© 2017 Pharus-Plan

Bei leichter Brise und den bereits erwähnten guten Laufbedingungen fiel es mir leicht, direkt ein hohes Tempo anzuschlagen. Trotz fehlender Konkurrenz im Nacken spulte ich den ersten Kilometer in 03:55 min ab und zwang mich daraufhin sofort, ein wenig auf die Bremse zu treten. Geplant war ein Schnitt von 04:08 min/km, um am Ende trotz Überlänge der Distanz auf eine Zielzeit von unter 3 Stunden rauszukommen. Dennoch rechnete ich mit einem Puffer auf der ersten Hälfte von ein bis zwei Minuten, sodass ich von Beginn an bei unter 04:05 min/km landen müsste.
Als die erste scharfe Rechtskurve im Südosten der Insel passiert war, stand mir die lange Gerade im Süden entlang des Bullenhuser Kanals bevor, an deren Ende kurz vor Querung der Billdeich-Straße KM 2 erreicht war (in 04:05 min). Hiernach folgte eine kurze Rampe bergab, die in eine zweite scharfe Rechtskurve mündete. Beide Kurven klingen dramatischer, als sie sind, denn man konnte sich super in die Kurve lehnen. Ähnlich wie bei Bahnläufen, bloß andersrum.
An dieser Ecke im äußersten Westen der Insel wenige Meter vor dem Start-/Ziel-Bereich konnte man bei gutem Wetter den Hamburger Fernseherturm sehen. Das ergab trotz der kurzen Dauer und dem hässlichen Gitterzaun davor ein recht schönes Bild und würde sich sicher zu einem kleinen Tages-Highlight mausern können.

Nach knapp 2,5 km war die erste Runde geschafft und ich schickte Sophie im Vorbeizischen einen Kuss zu. Die zweite Runde verlief recht ähnlich ohne Entdeckung neuer Besonderheiten (KM 3 bis 5 in 04:03 min, 04:02 min und 04:00 min). Jedoch ereignete sich noch vor Beendigung der zweiten Runde die erste Überrundung des Tages, sodass ich über doppelt so schnell wie Christian Hottas und seine Begleiterin war. Hochgerechnet würde sich deren Zielzeit im Bereich von über 6 Stunden bewegen.
Auf meiner dritten und vierten Runde saugte ich neue, schöne Impressionen auf. Unter anderem fiel mir die linke Uferseite des Flusses Bille auf, auf der sich ebenfalls sehr gepflegte Kleingärten mit Bootsstegen und entsprechend schönen Booten aneinander reihten. Dieser Ausblick wurde von manch einem Läufer fotografisch festgehalten, während ich das folgende Foto erst nach dem Lauf schießen konnte.

Außerdem entdeckte ich wenige Meter weiter die vermeintliche Kleingarten-Parzelle, die das blumige Foto-Motiv der Medaille zierte. Ich merkte mir die Zahl 298, um mir bei einer weiteren Überrundung des Veranstalters mal nachzufragen, ob ich richtig lag. Und um es vorwegnehmen zu dürfen: Ja, ich lag richtig!
Bei leichter Brise spulte ich die folgenden fünf Kilometer gleichmäßig in Zeiten zwischen 03:59 min und 04:04 min ab. Sophie hat sich einmal zum Aufwärmen ins Auto verkrochen und für die übrigen Male einen Gartenstuhl gesichert, auf dem sie es sich mit Jacke und Decke bequem gemacht hat. Bei den Fotos, die sie regelmäßig knipste, versuchte ich stets zu Lächeln und ihr dennoch eine kurze Info oder einen Kuss rüber zu jagen. Beides gleichzeitig fiel mir jedoch sichtlich schwer.

Nach der fünften Runde fragte mich Sophie dann, ob ich nicht mal was trinken wollte. Ich bejahte schnell und antwortete nur: „Bei der nächsten.“ Womöglich würde sie mir meinen Becher reichen wollen. Für mich Ambitionierten wäre dieser Service natürlich spitze, dachte ich mir, aber gleichzeitig wollte ich, dass sie mit ihrer anfänglichen Erkältung nicht zu viel Zeit im Freien verbringt. Vielleicht machte ich mir aber auch nur zu viele Gedanken.
Mit Ende der sechsten Runde war auch das erste Drittel des Rennens beendet. Was die Absicherung meiner führenden Position betraf, konnte ich kurz zuvor den Zweitplatzierten erstmals überrunden und den Sack dicht machen, wie es metaphorisch so schön heißt. Gleichzeitig zeigte die Laufuhr eine Zeit von knapp über 59 Minuten, womit ich voll auf Plan „Sub-3“ lag.
Nachdem der erste Becher Wasser schnell weggezogen war und ich Sophie ein ‚Danke‘ hinterherrief, fing es pünktlich zu Beginn des zweiten Drittels leicht an zu tröpfeln. Der Nieselregen war aber eher angenehm kühlend, als dass er störte. Und so absolvierte ich zwei weitere Runden mit Kilometerzeiten von 03:57 min bis 04:02 min. Erstaunlich gleichmäßig, erstaunlich schnell. Dabei überraschte es mich, dass ich jeweils kurz vor dem Start-/Ziel-Bereich eine prekäre Entdeckung gemacht habe. Aus dem rechten Augenwinkel schaute ein kleiner, nackter Gartenzwerg aus einer Astgabel nieder und streckte stolz seinen Allerwertesten heraus. Ich wiederhole es zu gern: Dinge gibt’s, die gibt’s gar nicht.

Nachdem der Nieselregen sich vorerst etwas verzogen hatte und ich weiter flotten Schrittes meine Runden drehen konnte, kehrte dieser ab der Hälfte in verstärkter Form wieder. Nun konnte man von einem normalen Regen sprechen, der pünktlich nach 9 von 18 Runden einsetzte (in 01:28:00 Stunden). Als Sophie zu diesem Zeitpunkt das Foto knipste, teilte sie mir endlich mit, sie werde nun wieder ins Auto steigen. Genau richtig so!

Nach einer verregneten Runde war mein Lauf-Oberteil so nass, dass es am kompletten Oberkörper klebte. Na toll! Zum Glück war es nicht windig und kalt, sodass die Nässe noch einigermaßen auszuhalten war. Trotzdem mochte ich das Gefühl nicht und hoffte, dass es bald wieder trocknen würde, sofern auch der Regen wieder aussetzt.
Für weitere Ablenkung auf der Strecke sorgten übrigens die regelmäßig wiederkehrenden Asphalthuckel, die dem Abbremsen der Autos auf eine Höchstgeschwindigkeit von 10 km/h verhelfen sollten. Im Verlauf des Rennens gelang es mir mal besser, mal schlechter, über diese kaum sichtbaren Huckel zu laufen. Einmal bin ich beispielsweise etwas merkwürdig aufgetreten, woraufhin sich mein linkes Knie gemeldet hat. Zum Glück war dieser kleine Schock aber bald wieder rausgelaufen. Zum anderen gab es die besagten Autos, Bullis und Anhänger, die meist an schmalen Stellen ganz weit an eine Heckenseite heranfahren mussten, um uns Läufer hindurch lassen zu können. Gegenseitige Rücksichtnahme war gefragt. Und das bei zwei mit 15 km/h aufeinander zukommenden Verkehrsteilnehmern, was nicht zu unterschätzen ist.
Zum Ende meiner 11. Runde überholte ich zum zweiten Mal Erik Spatz, den Zweiten des Rennens, der mir bei meinem Heranlaufen erneut seine linke Hand zum Abklatschen ausstreckte. Eine coole Geste, die ich gern erwiderte. Zum Teil lockte Erik so noch ein paar Sekunden aus mir heraus, da ich ihn nicht zu lange mit seinem ausgestreckten Arm warten lassen wollte.
Nach insgesamt 11 Runden und gut 26,6 km stand erneut Sophie am rechten Streckenrand und reichte mir ein zweites Mal einen Becher voll mit Wasser. Perfekter Zeitpunkt und das ohne ihr vorher Bescheid gegeben zu haben. Ich leerte fast den gesamten Inhalt mit vier Schlucken und vergaß dabei, mich zu bedanken. Das musste ich nach der nächsten Runde unbedingt nachholen, schwor ich mir - und tat es auch.
Die folgenden Kilometer lagen nur minimal über dem Schnitt (KM 27 bis 29 in 04:05 min, 04:03 min und 04:04 min) und fühlten sich weiterhin sehr gut an. Die gelaufene Zeit nach zwei Dritteln betrug 01:56:33 Stunden und wies somit einen Puffer von fast 03:30 Minuten auf meine Zielzeit auf. Damit war ich mehr als zufrieden, zumal mir der Joker in Form eines Mojito-Energiegels noch bevorstand.
Ich zog weiter meine Runden und genoss den Ausblick aufs Wasser. Für einen Bruchteil einer Sekunde sah ich sogar einige Kanuten Wasser-Basketball spielen. Sicher benenne ich Laie diese Sportart absolut falsch, aber das war nun mal das, was ich erspähen konnte. Außerdem waren die vielen, alten Boote, die das Ufer säumten, einfach unbeschreiblich schön.

Nach der 13. Runde waren 31,5 km erreicht und die ersten etwas langsameren Abschnitte schlichen sich ein (KM 30 in 04:07 min). Auch hier stand Sophie bereit und reichte mir sowohl meinen gelben Wasserbecher als auch das Gel. Ich entschied mich spontan nochmal für das Wasser und teilte ihr mit, ich wolle das Gel nach der folgenden Runde.
Langsam wurde es ernst, nur noch 5 Runden lagen vor mir und mein Körper dankte es mir mit ganz leichten Müdigkeitsanzeichen (KM 32 in 04:10 min). Doch dadurch ließ ich mich nicht beirren und biss die Zähne umso mehr zusammen (KM 33 in 04:00 min und KM 34 in 04:04 min). Und dann war es nach 14 Runden soweit: meine rechte Hand griff im Vorbeilaufen zum Mojito-Energiegel, das Sophie mir reichte, und packte es so fest, dass es nicht mehr herausrutschen konnte. Kurz nach KM 35 (in 04:02 min) riss ich die obere Lasche ab und gönnte mir alle paar hundert Meter ein paar Schlucke der flüssigen Brühe. Geschmacklich okay, aber zu empfehlen sind die Standards wie Banane und Kirsche.
Durch die abschweifende Konzentration mischte sich der bisher langsamste Kilometer ein (KM 36 in 04:11 min). Da wollte ich mit aller Kraft gegen ankämpfen und hoffte auf eine schnelle Wirkung des Wundermittels. Doch gefühlt lief nichts automatisch, sodass ich mit meinen müden Beinen ganz schön ackern musste (KM 37 in 04:06 min und KM 38 in 04:03 min).
Knapp 5 km vor dem Zieleinlauf rief ich Sophie zu, es seien bloß noch zwei Runden. Sie bejubelte dies, wünschte mir noch viel Spaß, schaute aber gleichzeitig mit fragendem Blick Richtung Getränkestand. Ich rief bloß zu, ich wolle nichts mehr trinken. Bloß noch ballern, dachte ich mir. Und das Ballern zahlte sich aus, denn in meiner 17. Runde überrundete ich Erik ein drittes Mal, klatschte seine Hand ein drittes Mal ab und versprach, es bei drei Begegnungen zu belassen.

Beginnend mit KM 39 (in 04:09 min) wurde ich dann immer schneller und schneller. Ich genoss die scheinbar neu erlangte Kraft, die in Läuferkreisen auch als die zweite Luft bezeichnet wird. Volles Risiko und alles auf eine Karte setzen (KM 40 in 04:07 min und KM 41 in 03:59 min). Beim letzten Vorbeilaufen durch das Start-/Ziel-Gelände lächelte ich noch ein letztes Mal in die Kameralinse und konzentrierte mich auf die letzte Runde.
Alles, was ich nun noch einmal sehen würde, sah ich zum letzten Mal. Entsprechend versuchte ich, nochmals alle Eindrücke aufzusaugen: das schöne Uferpanorama entlang der Bille, die blumige Parzelle 298, den Eiswagen mit seiner Glocke, der bei meinen Mitstreitern trotz mäßigem Wetter gute Kundschaft erfahren hat, und nicht zuletzt den nahezu nackten Gartenzwerg in seiner Astgabel.
So konnte ich auf den letzten beiden vollen Kilometern die schnellsten Abschnitte des Tages einholen (KM 42 in 03:54 min und KM 43 in 03:52 min). Die letzten 500 Meter führten dann nochmal mit kurzem Blick auf den weit entfernten Fernseherturm durch die scharfe Rechtskurve hindurch und auf die knapp 100 Meter lange Zielgerade, an deren Ende Sophie schon auf mich wartete.
Ich riss wie gewohnt die Arme hoch und freute mich über ein extrem gleichmäßiges Rennen (die 2. Hälfte war mit 01:28:25 Stunden nur 25 Sekunden langsamer). Ein grandioser Lauf mit tollen Teilnehmern und einem weiteren Streckenrekord von 02:56:25 Stunden fand sein Ende. Publikum gab es - bis auf meinen Schatz - keines, aber das war in Ordnung. Genau so sollte es sein! Hammer!

Nachher

Nachdem ich wieder zu Luft gekommen bin und mich bei Sophie für ihre fast dreistündige Unterstützung bedankt habe, trudelten nacheinander die weiteren Läufer am Verpflegungstisch ein, die zumeist noch einige Runden vor sich hatten. Zwischendurch zog ich das nasse Laufshirt und die Hose aus und zog mir trockene Klamotten über. Als dann Werner Podrasil nach seinen acht oder neun Runden angelaufen kam, gratulierte er mir und deutete auf die Plastikkiste, in der die Finisher-Medaille auf mich wartete. Das Prozedere der Medaillen-Selbstbedienung kannte ich bereits von Christians vorherigen Marathons. Und Werner ließ es sich nicht nehmen, mir die Anerkennung am Band persönlich zu überreichen, sehr charmant.

 

Außerdem trug ich mich noch händisch in die Liste ein, die im Klemmbrett eingespannt war. Auch das ist bei den kleinen Veranstaltungen des Weltrekordlers so üblich. Dieser lief übrigens wenig später auch im Start-/Ziel-Bereich ein, gratulierte mir ebenfalls und knipste ein letztes Foto von mir, das am Abend schon auf Facebook landete. Wir quatschten noch ein wenig, während ich mehrmals zur Cola griff, und verabschiedeten uns anschließend voneinander. Ihm und den anderen wünschte ich noch viel Erfolg und viel Spaß auf den letzten Runden.
Sophie musste ich kurz nach Verlassen des Parkplatzes aber noch schnell den kleinen, nackten Gartenzwerg in der Astgabel zeigen, bevor es für uns zurück nach Hause ging. Dort angekommen, hüpften wir unter die warme Dusche, aßen noch eine Kleinigkeit und legten ein fast zweistündiges Nickerchen auf dem Sofa ein. Erst danach waren wir wieder zu Kräften gekommen und freuten uns über den erfolgreichen Tag. In erster Linie wich mir das Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht, was wiederum meine Freundin sehr zu gefallen schien.
Wer hätte auch gedacht, dass ich nur vier Wochen nach meinem Kampf mit Krämpfen in Allermöhe so schnell wieder so fit werden würde. Also ich habe damit nicht gerechnet. Umso besser! So kann’s weitergehen!

Zahlen & Fakten

Distanz

 

Gelaufene Zeit (Netto)

 

Gelaufene Zeit (Brutto)

 

Altersklasse

 

AK-Platzierung

 

Platzierung (Männer)

 

Gesamtplatzierung

43,5 km

 

02:56:25 Std.

 

02:56:25 Std.

 

Männl. Hauptklasse (88-97)

 

1. von 1

 

1. von 6 (16,7 %)

 

1. von 8 (12,5 %)