12. Sparda-Bank City Marathon Bremerhaven

14.08.2016

Vorher

Nur 8 Tage vor dem Startschuss entschied ich, meinen 24. Marathon beim diesjährigen Bremerhaven City Marathon zu laufen. Argumente für einen solch spontanen Start gab es wie gewohnt viele: allem voran freute ich mich über die vielen schönen und schmerzfreien Trainingseinheiten in den letzten Wochen und da das Wetter zurzeit mitspielte (selten über 30°C und häufig bewölkt) machte ich mir über den Sommermonat August keine Sorgen. So brütend warm wie einst beim Augsburger Friedensmarathon 2012 sollte es aller Wahrscheinlichkeit nicht werden. Außerdem wollte ich mit diesem Marathon nicht nur mein nunmehr 8. deutsches Bundesland – also Bremen – abhaken, sondern auch eine letzte lange und harte Einheit vor unserem bevorstehenden Sommerurlaub auf Malta absolvieren. Mit einem weiteren Marathon in den Beinen reist es sich nur wenige Tag später noch viel besser in den Urlaub.
Für eine Startgebühr von 40 € für Spät-Entschlossene gab es neben der gesamten Organisation und dem vermessenen Lauf über einen 4-Runden-Kurs à 10,55 km noch die obligatorische Finisher-Medaille, auf die ich mich schon freute. Zudem machte ich mir berechtigterweise Hoffnung auf eine der vorderen Platzierungen, denn mit einer Zeit um die angepeilten 02:50 Stunden wäre ich bei den vergangenen Veranstaltungen jeweils unter den Top-3 gelandet. Dennoch ging ich ohne allzu großem Druck an die Sache und wollte den Tag trotz frühem Aufstehen einfach nur genießen.
Da an diesem August-Sonntag der Wecker bereits um 05:30 Uhr klingeln sollte und meine Freundin mit ihrem Verein an diesem Tag ein Fußballspiel zu bestreiten hatte, habe ich damit geplant, alleine zu diesem Event zu fahren. Am Vortag kündigten sich jedoch meine Eltern an und fragten, ob sie mich begleiten dürften. Natürlich durften sie! Ich freute mich riesig, zumal es kaum bessere Fans geben kann und sie mich schon beim Löningen Marathon vor knapp zwei Monaten überrascht hatten. Eine noch größere Überraschung gab es dann am Sonntagmorgen, als ich um 06:15 Uhr nicht nur meine Eltern, sondern auch meine Schwester Nicole auf dem Parkplatz vor dem Haus meiner Freundin sah. Alle drei haben die kurze Nacht gerne in Kauf genommen, um zusammen mit mir Bremerhaven unsicher zu machen. Ich freute mich riesig, packte meine mit Honig beschmierten Frühstückstoasts und eine Banane ins Auto und verabschiedete mich von meiner Freundin, die mit müden Augen im Türrahmen stand, mir viel Erfolg wünschte und uns zum Abschied winkte.
Zu viert im Auto fuhren wir von Laggenbeck aus zunächst über die A30 und dann auf die A1 Richtung Norden. Vorbei an Oldenburg, wo ich im Vorjahr triumphieren konnte, lagen wir gut in der Zeit und näherten uns dem kleinen Küstenstädtchen Bremerhaven, wo uns bereits große Segeljachten begrüßten. Ein leises „Wow“ ging uns über die Lippen, doch war es umso trauriger, dass die Strecke nicht entlang der Küste führte. Diese musste aufgrund einer einfacheren Organisation und Logistik auf den Innenstadtbereich und eine angrenzende Park-Anlage verlegt werden.
In der City angekommen fuhren wir mindestens zweimal drum herum, bis wir einen geeigneten kostenlosen Parkplatz etwa 400 Meter vom Startgelände entfernt gefunden haben. Meine Wettkampfklamotten ließ ich noch im Kofferraum und so machten wir uns zunächst auf den Weg, meine Startnummer abzuholen. Dabei gingen wir über die Haupteinkaufsstraße der Stadt an verschlossenen Geschäften vorbei, die an die Ruhe vor dem Sturm erinnerten.
Um 08:30 Uhr und somit exakt eine Stunde vor dem Startschuss hielt ich meine glückliche Startnummer – die 33 – in den Händen. Wie man auf dem Foto sehen kann, hatte ich doch tatsächlich etwas müde Augen. Ein kleines Aufwärmprogramm musste also her, denn nur so konnte ich rechtzeitig wieder wach werden. Zum Glück haben das super Wetter und die größer werdenden Menschenmengen dazu beigetragen, dass meine Vorfreude stieg. Für zusätzliche Belustigung unter uns sorgten mehrere Robben-Statuen, die sich in einer Seitenstraße der Haupteinkaufsstraße befanden. Natürlich folgten ein paar Posen, bevor das eigentliche Aufwärmen weiterging.

Gegen 09:00 Uhr waren wir wieder am Auto, ließen unsere wärmenden Sachen darin, zogen unsere Laufschuhe an und dann nichts wie auf zur Startlinie. Während ich vier Runden vor der Brust hatte, wollte meine Family mindestens eine Runde locker mitlaufen und sich dann eventuell noch den Hafen von Bremerhaven anschauen, bevor ich meinen Wettkampf beende.
Da die Stimmung trotz etwas schwerer Beine super locker war, gab es auch vor dem Startbanner noch ein entsprechendes Foto-Shooting. Ich ließ es mir nicht nehmen, allen zu zeigen, wie sehr ich mich auf die bevorstehenden Strapazen freute, und so sprang ich in die Luft und riss die Arme auseinander. Auch meine Eltern ließen sich ablichten und dann wurde es knapp 15 Minuten vor dem Start ernst.
Ich ging nochmal alle wichtigen Punkte in meinem Kopf durch, die ich vor einem Marathon zu beachten hatte: der letzte Klo-Gang war erledigt, Vaseline an empfindlichen Scheuerstellen vorhanden, die Schuhe final mit Doppelknoten verknotet und ein paar letzte Dehnübungen vollbracht. Einem hoffentlich gleichmäßigen Rennen stand nichts bevor. Als sich der Startbereich mit Einzelkämpfern und Staffelläufern füllte, wurde viel hin und her gequatscht – meist wurde tiefgestapelt, wie man es aus Läuferkreisen kennt. Ein Mitbewerber rumänischer Herkunft horchte auf, als er meine Zielzeit von 02:54 Stunden hörte, und sprach mich an. Er machte deutlich, dass wir ungefähr dasselbe Tempo laufen dürften und ich war sehr gespannt, in welcher Form er sich befand. Sein bedrucktes Trikot machte nämlich deutlich, dass seine Bestzeit bei 02:41:xx lag, was noch über meinem derzeitigen Vermögen liegt.

Nachdem ich mich von meiner Family verabschiedet hatte und meine Gespräche im Startblock beendet waren, kehrte die Konzentration zurück. Noch 10 Sekunden … tief durchatmen … noch 6, 5, 4 … ich bin bereit, die Uhr ist bereit, der rechte Zeigefinger am linken Knöpfchen … 3, 2, 1 und Schuss! Los geht’s! Marathon Nr. 24 war gestartet!

Der Lauf

Wie erwartet setzten sich mein deutsch-rumänischer Konkurrent und ich gemeinsam an die Spitze des Feldes und das in einem Tempo, das gefühlt noch völlig im Rahmen lag. Mein Ziel lag heute bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 04:10 min/km und somit bei einer Endzeit von knapp unter 02:56 Stunden.

 

Unter lautem Applaus der vielen Frühaufsteher am Straßenrand und begleitet durch das Führungsfahrzeug mit großer Digitaluhr auf dem Autodach ging es für uns in südlicher Richtung raus aus der Innenstadt Bremerhavens. Nachdem am Ende der Fußgängerzone ein steinerner Brunnen rechts oder links passiert werden musste, führte die Strecke uns bei KM 1 (in 03:56 min) über die ‚Alte Geestebrücke‘ und somit über den kleinen Fluss Geeste, der nur wenige hundert Meter weiter in die Nordsee mündet. Diese Brücke war gleichzeitig die höchste Steigung des gesamten Streckenverlaufs und musste 2 Mal pro Runde bzw. insgesamt 8 Mal überquert werden.
Weiter auf der Ludwigstraße mussten wir kurz vor KM 2 (in 03:58 min) links auf die Elbestraße abbiegen. Bei diesen Abschnitten handelte es sich um sehr breite Straßen, sodass wir zwei an der Spitze uns etwas verloren fühlten. Während ich ans Kräftesparen dachte, plapperte mich mein Kontrahent mit nur wenigen Pausen zu. Mir sollte es recht sein, solange ich nicht in allzu langen Sätzen antworten musste. Auf diese Weise erfuhr ich unter anderem, dass er derzeit nicht Bestzeit laufen könne und dass er den Bremerhaven Marathon schon mehrmals gewonnen habe und das somit heute nicht sein primäres Ziel sei. Galt das als Tiefstapeln? Ich wollte mich überraschen lassen und so lange Paroli bieten, wie es mir möglich war.
Nach einer 90° Rechtskurve ging es ohne Höhenmetern unter einer Eisenbahnbrücke hindurch und daraufhin durch eine Siedlung, in der sich die ersten Zuschauer in deren Vorgärten und Einfahrten trauten, um uns live zuzujubeln. Diesen Applaus sollte es später auf dem Rückweg auch geben, denn dieser Teil der Strecke wurde in beide Richtungen belaufen.

Kurz vorm Einlauf in den Bürgerpark folgte KM 3 in 03:58 min und somit nach wie vor in einem recht flotten Tempo. Die Laufroute im grünen Park verlief in einem großen Bogen gegen den Uhrzeigersinn und führte unter anderem an einem großen Gehege mit Ziegen und Schafen vorbei. Eine Unterbrechung des Bogens gab es am süd-östlichsten Teil der Strecke, als wir bei KM 4 (in 03:57 min) auf eine Art Verlängerung durch ein großes Wiesen-Areal ausweichen mussten. Nur so konnte die Runde auf die notwendigen 10,55 km kommen.
Als  ich dann bei KM 5 (in 04:02 min) erstmals minimal federn lassen habe, hat sich mein schneller Konkurrent direkt abgesetzt und gut 15 bis 20 Meter zwischen uns gelassen. Das sah dann auch meine Family, die mich beim Rauslaufen aus dem Bürgerpark erwartete. Mein Vater rief dem Führenden sogar zu, er solle langsamer laufen. Kurze Zeit später rief er mir zu, ich solle schneller laufen. Guter Plan! Meine Mutter applaudierte dazu laut und meine Schwester rief ihr gewohntes „Super, Patrick!“. Wie viel Krach nur drei Leute erzeugen können, ist schon außergewöhnlich. Und es hat Spaß gemacht und mich zusätzlich motiviert. Dankeschön!

Nun folgten – wie schon auf dem „Hinweg“ – die 2 km durch die Siedlung, unter der Eisenbahnbrücke hindurch und Richtung Geeste (KM 6 in 03:54 min und KM 7 in 03:58 min). Aufgrund unseres Vorsprungs konnten wir auf diesem Teilstück den langsameren Läufern in die Augen schauen, was sicher auf beiden Seiten für Ablenkung und Abwechslung sorgte. Der eine oder andere Läufer applaudierte uns zu, wofür ich mich mit einem kurzen Daumen-Hoch und einem Lächeln bedankte.
Direkt hinter der Geeste bogen wir rechts ab und folgten der breiten, etwa einen Kilometer langen Deichstraße Richtung Norden (KM 8 in 03:57 min). An diesem Punkt musste das Führungsfahrzeug, das bisher in einem konstanten Abstand vor uns weggefahren ist, eine Abkürzung nehmen, da die Strecke zu schmal wurde. Über eine kurze Schotterpassage und schmale Asphaltwege führte uns die Strecke beinahe parallel zum Fluss, den wir bei KM 9 (in 03:55 min) bereits ein drittes und nach einer 180° Wende direkt ein viertes Mal über eine flache Holzbrücke überqueren mussten.
Ein asphaltierter Radweg führte in einem Linksbogen wieder Richtung Innenstadt und zeigte uns Läufern unterdessen eine Art modernes Industriegebiet von Bremerhaven: alte, eiserne Kräne gepaart mit hochmodernen, gläsernen Gebäuden und vielen, kleinen Grünflächen dazwischen. Mir gefiel es sehr und ich hoffte, dass auch meine Family durch diesen Teil der Stadt laufen würde.

Ohne es zu merken habe ich während all dieser Eindrücke meinen zwischenzeitigen Rückstand wieder verkleinert und konnte auf den Führenden auflaufen. Rechtzeitig vor dem Erreichen des Start-Ziel-Geländes. KM 10 passierten wir nach 04:05 min, was zu einer Durchgangszeit von schnellen 39:40 min führte. Solange mein Kollege mich von nun an wieder ablenkt, war alles perfekt.
Auf der besagten Start-Ziel-Geraden wurden wir schon von weitem vom Moderator begrüßt und als das Führungs-Duo vorgestellt. Das Publikum wurde lauter und ich genoss die Stimmung in vollen Zügen. Meine Family war noch nicht wieder zu sehen, aber dadurch wusste ich, dass sie an einer ruhigeren Stelle auf mich warten würden. Und so kam es, dass sie kurz nach KM 11 (in 04:01 min) hinter der Alten Geestebrücke am linken Streckenrand standen und uns beiden zujubelten. Mein Kontrahent entgegnete auf Polnisch „Wszystko dobrze!“, was so viel wie hieß wie „Alles gut!“ und überraschte nicht nur mich, sondern auch meine Family. Wie peinlich, dass ich nichts auf Rumänisch wusste und so wiederholte ich das polnische „Wszystko dobrze!“ und lachte.

In dieser lockeren Stimmung waren wir uns einig, das Ding zunächst mal gemeinsam durchzuziehen. In der Führungsarbeit wechselten wir uns ab, sodass sich jeder mal im Windschatten „ausruhen“ konnte. Dazu muss gesagt sein, dass es dabei nicht um den eigentlich Schutz vor dem Wind ging, sondern dass das „Ausruhen“ darin bestand, nicht auf das konstante Halten des Tempos achten zu müssen. Und so fiel es mir nicht schwer, die folgenden zwei Kilometer in 04:05 min und 04:02 min abzuspulen. Erst bei KM 14 (in 04:12 min) wurde es plötzlich etwas langsamer, was wir auf unsere rege Kommunikation zurückführten. Mir sollte es recht sein, denn die konstant schnellen Abschnitte von unter 4 min pro KM würden sich bei meinem derzeitigen Stand am Ende rächen.
Nach KM 15 in 04:07 min folgte wieder die Passage, auf der uns viele der langsamen Marathonis und nun auch die schnellen Halbmarathonis entgegenliefen, die jedoch eine Stunde nach uns gestartet sind. Es wurde also endlich voller auf der Strecke.
Auf den folgenden vier Kilometern bis einschließlich KM 19, die wieder Richtung Wendepunkt auf der kleinen Brücke über dem Fluss führten, wurden wir wieder stetig schneller (04:10 min, 04:06 min, 04:02 min, 03:52 min). Ich war gespannt, ob ich das auf der zweiten Hälfte halten könnte und wann einer von uns beiden erstmals abreißen lassen muss. Auf der anderen Seite wollte ich auch den Drittplatzierten nicht aus den Augen lassen, der uns auf dem kurzen Wendepunkstück völlig neutral in die Augen schaute. Von Erschöpfung keine Spur und lediglich ein Rückstand von höchsten 200 Metern. Mein rumänischer Kontrahent war sich jedoch sicher, dass es sich bei dem Mann „nur“ um einen 3-Stunden-Läufer handele. Na mal sehen!
Kurz vor der Halbzeit ging es von den schmalen Radwegen runter wieder auf breiteren Straßen Richtung Innenstadt (Km 20 in 04:08 min). Da uns das Führungsfahrzeug schon nach einer Runde verlassen hatte, musste anderweitig Ansporn her, und so hoffte ich auf motivierende Worte meiner Family, die mich tatsächlich bei KM 21 (in 04:12 min) erwartete. Den Fotos zufolge war schon platt, aber ich fühlte mich immer noch gut. Das Kopf-an-Kopf-Rennen ging weiter und entsprechend aufbrausend waren auch die Worte des Moderators auf dem Marktplatz vor der Kirche.

Auch der Applaus wurde von Runde zu Runde lauter, denn auch die Menschenmenge wurde trotz bewölktem Himmel immer größer. Beim Überlaufen der Zeitmessmatten zeigte die Digitaluhr am rechten Streckenrand an, dass wir exakt 01:25:00 Std. gebraucht haben. Damit konnte ich gut leben; ganz egal ob ich nochmal schneller oder doch langsamer werden würde.
Die dritte Runde begann wie die beiden zuvor auch, nur dass sich bald die ersten Überrundungen einschlichen. Das sorgte für gute Ablenkung auf den etwas weniger interessanten Abschnitten, wie zum Beispiel zwischen dem Fluss Geeste und dem Bürgerpark (KM 22 in 03:55 min, KM 23 in 04:01 min). Auf den besagten Park und die östliche Passage durch die Felder freute ich mich jedoch ganz besonders, denn die grüne Natur um uns herum sorgte für eine Stimmung wie während eines Trainingslaufs. Konkurrent hin oder her, aber genau für diese besonderen Momente liebe ich das Laufen: Wenn das Abschalten funktioniert, egal wie ausgepowert ich bin, dann ist es das schönste Gefühl!
Auf den folgenden fünf Kilometern bis einschließlich KM 28 bewegten wir uns bei Abschnitten zwischen 04:01–04:07 min/km. Alles lief wie am Schnürchen und zwei-drittel waren schnell erledigt. Wach gerüttelt wurden wir dann wieder bei KM 29, den wir in 04:14 min absolvierten. Die Antwort kam prompt bei KM 30 (in 03:43 min) und erst danach fanden wir wieder zurück zu unserem Rhythmus. Die schmalen Wege hinter uns lassend ging es bei KM 31 (in 04:03 min) wieder geradewegs auf das Start-Ziel-Gelände zu, wo ich mir meine Family erhoffte. Zwar war ich noch bei Kräften, aber eine letzte Motivationsspritze für den möglichen Kampf um Platz 1 war doch noch nötig.
Von viel Publikum bejubelt absolvierten wir drei-viertel des Rennens in etwa 02:07:30 Std., was auf eine Endzeit von exakt 02:50:00 Std. hinauslaufen würde. In meinem Kopf ratterte es: Kann ich es schaffen? Werde ich Erster oder Zweiter? Wird es eine schnellere 2. Hälfte geben? Wo bleibt der Mann mit dem Hammer? …

Kurz hinter der Start-Ziel-Linie wartete meine Family und knipste ein letztes Foto von mir. Die Zurufe habe ich nicht mehr konkret wahrgenommen, aber sie waren da und nur das zählte. Ab jetzt Zähne zusammenbeißen!
Von der Schönheit der Strecke auf der vierten und letzten Runde wollte ich plötzlich nichts mehr wissen. Genug geträumt! Jetzt werden Nägel mit Köpfen gemacht und mein hartes Training soll sich auszahlen, dachte ich mir. Merkwürdigerweise fühlte es sich an, wie eine 10 km lange Zielgerade. Aber das Gefühl war gut, denn mich lenkte jeder Zentimeter ab, den ich an Vorsprung gewinnen konnte. Wir Läufer sind schon komische Geschöpfe, wenn wir so denken, oder?
Ich hoffte, mir schon mit KM 32 bis 34 (in 04:02 min, 04:03 min und 03:56 min) etwas Luft verschaffen zu können, aber spätestens im Bürgerpark musste ich wieder abbremsen (KM 35 in 04:12 min). Jetzt wird sich entscheiden, wem der Hammermann zugelost wird. KM 36 in 04:03 min und KM 37 in 04:07 min schafften wir noch Schulter an Schulter. Auch die Gespräche untereinander wurden weniger, der Atem dafür schwerfälliger.
Durch einen leichten Steigerungslauf über die Deichstraße entlang der Geeste und die schmalen Schotterwege im nördlichen Teil der Strecke (KM 38 in 04:04 min, KM 39 in 04:03 min, KM 40 in 04:01 min) konnte ich endlich etwas Abstand gewinnen. Bei KM 41 (in 04:04 min) war ich mir sogar sicher, dass ich es schaffen werde. Trotzdem drehte ich mich noch nicht nach hinten, denn das könnte bei meinem Kontrahenten die Hoffnung schüren, ich sei am Schwächeln. Nein nein, der Kopf nach vorne gerichtet, die Augen auf die Uhr am linken Handgelenk und ab ging’s!
Während der letzten Linkskurve knapp 200 Meter vor dem Ziel wagte ich dann aber doch den kurzen Blick über die linke Schulter. Niemand zu sehen. Wahnsinn! Ab KM 42 (in 03:59 min) hatte ich nur noch die Zielzeit als wahren Konkurrenten auf der Strecke. Völlig euphorisiert und mit einem riesigen Grinsen im Gesicht flog ich förmlich dem Ziel entgegen. Erst 15 Meter vor dem Ziel konnte ich die Digitaluhr entdecken, da sie hinter dem Zielbanner stand. Noch war ich deutlich unter 02:50:00 Stunden. Wow!

Letzte Kräfte mobilisieren und sprinten! 02:49:45 Std. hieß dann das Endergebnis … kaum zu glauben! Mein nunmehr dritter Marathon unter dieser Schallmauer und mein zweiter großer Sieg nach dem letztjährigen Oldenburg Marathon. Ich konnte und kann es die ganze Zeit über nicht fassen. Sprachlosigkeit! … ist das das Runner’s High?!

Nachher

Im Zielbereich bin ich erstmal stehen geblieben und habe mich beim Publikum bedankt, das insbesondere auf dieser Marktstraße für eine außergewöhnliche Stimmung gesorgt hat.

Und nur 44 Sekunden später lief der Zweitplatzierte ein, der mir umgehend gratulierte, sobald er die Ziellinie übertreten hatte. Dabei zog er einen kleinen, selbst gebastelten Sticker mit einer handgeschriebenen „1“ aus seiner Tasche und klebte ihn mir auf die Brust. Lustige Idee, die er sicherlich für sich selbst vorbereitet hatte. Natürlich bedankte ich mich herzlich bei ihm und freute mich, ihn später nochmal bei der Siegerehrung zu sehen.
Danach wandte ich mich meiner Family zu, die ebenfalls ganz begeistert von meinem Erfolg waren. Für meine Schwester Nicole war es zudem mein erster Marathon unter 02:50 Stunden, den sie live miterlebt hat. Wir vier tauschten uns kurz aus und dann ging ich Richtung Getränke-Stand, wo mein wohl verdientes Erdinger Alkoholfrei auf mich wartete.

Während ich etwas zur Ruhe kam wurde mir – wie so oft nach einem Marathon – kurz schwarz vor Augen und schwindelig. Da sich das aber schnell legte, gab es keinen Grund für Unruhen.
Eine weitere Besonderheit folgte dann aber, als mich eine Reporterin von Radio Bremen nach einem kurzen Interview fragte. Sobald ich mich wieder einigermaßen fit fühlte, beantwortete ich ihre Fragen, die anschließen im Internet nachzulesen sein sollen. Auch dieses Interesse an meiner Person genoss ich sehr und bekam anschließend ein noch breiteres Grinsen ins Gesicht gezaubert.

Nachdem ich mich danach am Verpflegungsstand mit einigen Bechern Cola und einem trockenen Stück Bienenstich gestärkt hatte, haben wir die verbleibende Stunde bis zur Siegerehrung damit genutzt, die Duschen aufzusuchen. Das gestaltete sich jedoch schwieriger als gedacht, denn diese waren weder ausgeschildert, noch in unmittelbarer Nähe zu unserem Parkplatz. Zu allem Übel kam aber noch, dass diese Duschen im Hinterhof einer Schule bitterkalt waren. Ich habe erwachsene Männer – mich eingeschlossen – noch nie so Jammern hören. In der Tat ist sowas unabhängig von der Jahreszeit unverantwortlich. Und so duschte ich mich so schnell, wie nie zuvor nach einem Wettkampf, und hoffte auf angenehme Temperaturen draußen, sodass ich mich nicht erkälten würde.
Gegen 13:30 Uhr befanden wir uns wieder auf dem Platz vor der Kirche und warteten auf die Ehrung, die schon 10 Minuten später begann. Nach der Ehrung der besten drei Damen folgte der Aufruf des Drittplatzierten (02:59:05 Std.), des Deutsch-Rumänen (02:50:29 Std.) und letztlich meiner Wenigkeit. Bereits bei den Frauen sah ich, dass es für mich ein 2,5-Liter-großes, gefülltes Krombacher-Glas geben wird, worauf ich mich schon riesig freute. Dazu gab es neben schönen Worten des Moderators, dessen Geburtsstadt mein derzeitiger Wohnort Laatzen ist, eine Urkunde und zwei Briefumschläge überreicht.

Nachdem gefühlt hunderte von Fotos gemacht worden sind, bin ich wieder zurück zu meiner Family gegangen und habe voller Spannung die beiden Umschläge geöffnet. In einem befand sich eine handgeschriebene Karte mit persönlichen Glückwünschen und einer Einladung zu einer Laufanalyse in der AMEOS Klinik Bremerhaven Geestland. Eine hammergeile Idee, wie ich finde, wenn auch der Weg nach Bremerhaven ein sehr weiter ist. Hoffentlich kann ich dennoch davon Gebrauch machen. Im zweiten Umschlag befand sich neben einem 50€-Schein ein Gutschein für den kommenden Cuxhaven Marathon am 09.04.2017, von dem ich definitiv Gebrauch machen werde, da mir der Cuxhaven Marathon noch in meiner Sammlung fehlt.
In Summe sind das so tolle Preise, wie ich sie selten zuvor erhalten habe. Respekt und ein großes Dankeschön an die Organisatoren und Sponsoren.

Die 2,5 Liter alkoholfreien Weizens haben im Übrigen mein Vater und ich innerhalb von 35 Minuten ausgetrunken, wenn auch meine Mutter und Nicole ganz wenig davon genippt haben. Dazu gab es noch leckeren Backfisch im Brötchen, bevor es dann gegen 14:15 Uhr zurück in die Heimat ging.

Durch meine spontane Begleitung und den nahezu perfekten Marathonlauf war es ein wunderbarer Tag, den ich noch sehr lange in bester Erinnerung behalten werde. Ganz großes Dankeschön an meine Speedy Family, die übrigens ganze 12 km durch Bremerhaven gelaufen ist und so dieselben schönen Ecken gesehen hat, wie ich. Freue mich schon riesig auf das nächste Abenteuer mit Euch!

Zahlen & Fakten

Distanz

 

Gelaufene Zeit (Netto)

 

Gelaufene Zeit (Brutto)

 

Altersklasse

 

AK-Platzierung

 

Platzierung (Männer)

 

Gesamtplatzierung

42,195 km

 

02:49:45 Std.

 

02:49:45 Std.

 

Männl. Hauptklasse (87-96)

 

1. von 3 (33,3 %)

 

1. von 61 (1,6 %)

 

1. von 72 (1,4 %)